Bei den Wert- bzw. Geldersatzmarken handelt es sich um ein der Vergangenheit oft stiefmütterlich behandeltes Nebengebiet der Numismatik. Es beinhaltet Privatnotmünzen ebenso wie Consumvereinsmarken, Biermarken, Werbemarken und viele weitere Marken privater Ausgeber. In Österreich wird es zu einem kleinen Teil in den Notgeldkatalogen mit behandelt, auch die Sammlerschaft kommt traditionell zu einem Gutteil aus der Gruppe der Notgeldsammler. Seit einigen Monaten nimmt sich eine eigene Webseite den Wertmarken an. Wir stellen diese im Anschluss vor und stellen Seitenbetreiber Dr. Bernd Thier einige interessante Fragen zum Sammelgebiet.
Seit wann gibt es die Webseite und was wird dort geboten?
Die Seite www.wertmarkenforum.de ging im Dezember 2015 als Online-Magazin auf Blogbasis (WordPress) an den Start. Bisher konnten bereits über 300 Beiträge veröffentlicht werden. Bewusst wurde sich gegen ein „offenes“ Forum, bei dem sich jeder als Mitglied eintragen und Beiträge erstellen kann, entschieden. Wertmarkenforum.de soll als Magazin optisch ansprechende, wissenschaftlich fundierte und trotzdem niederschwellige sowie gut gegliederte, umfassende Informationen bieten. Eine aktive Beteiligung von Sammlern und Forschern ist nicht nur möglich sondern unbedingt erwünscht.
Welche Wertmarken, innerhalb welches Zeitrahmens werden behandelt?
Das Spektrum der zu behandelnden Wertmarken bzw. Marken ist weit gefasst und beinhaltet Geldersatzzeichen und anderen Zeichen aus Metall und Kunststoff, u. a. Braumarken, Brotmarken, Mehlmarken, Token, Chips, Jetons, Casino-Chips, Biermarken, Getränkemarken, Gasmarken, Strommarken, Eintrittsmarken, Einkaufswagen-Chips, Autowaschmarken, Parkmarken, Kirmes-Fahrchips, Apothekentaler, Pfandmarken, Müllmarken, Schwimmbadmarken, Hundesteuermarken, Grubenmarken, Fahrmarken, Färbermarken, Blaudruckmarken, Werkzeugmarken, etc.
Alle neu vorgestellten Marken erhalten eine Kennnummer, die mit dem Wert 10.000 beginnt (WMF-Nr. 10.000 ff.), um eine Unterscheidung zur Nummerierung in den gedruckten Heften des alten WMF-Magazines (bis Nr. 8395) zu gewährleisten. Jeder einzelne Beitrag weißt außerdem einen Permalink auf, der eine korrekte Zitierung auf Dauer ermöglicht.
Der zeitliche Rahmen der zu behandelnden Marken reicht vom Mittelalter bis in die aktuelle Gegenwart, wobei allein durch die Anzahl der bekannten Marken das 19., vor allem aber das 20. und frühe 21. Jahrhundert dominieren werden. Die vorgestellten Marken sollen aus dem deutschsprachigen Raum stammen, daher vornehmlich aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Aufgrund der historischen Entwicklungen im 19. und 20. Jahrhundert können aber durchaus auch Marken mit deutschen In- oder Umschriften aus ehemals deutschen oder deutschsprachigen Gebieten in Frankreich (Elsass), in Polen (u.a. Schlesien), Russland (u.a. Ost- und Westpreußen), Tschechien und der Slowakei (Böhmen und Mähren) bzw. den deutschen Kolonien (Deutsch-Südwestafrika, Deutsch-Westafrika, Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Witu, Deutsch-Somaliküste, Deutsch-Neuguinea und Kiautschou) in Übersee behandelt werden.
Wie ist die Webseite aufgebaut?
Die einzelnen Beiträge erscheinen, wie bei einem Blog üblich, in der zeitlichen Reihenfolge des „Postings“, wobei der letzte Beitrag an oberster Stelle steht. Über die einzelnen Registerkarten lassen sich dann z.B. nur die längeren Artikel, die Tauschangebote (Tausch / Gesuche), die Hinweise auf Herstellerfirmen oder die Marken mit bzw. ohne Ortsangabe (Marken) anzeigen.
Hinzu kommen die Kategorien Hinweise auf aktuelle Wertmarken und ähnliche Geldersatzeichen im Internet, eine Rubrik zu Suchanfragen und Tauschangeboten sowie zu allgemeinen aktuellen Informationen rund um das Online-Magazin.
Über die Suche lassen sich alle Beiträge nach gewünschten Begriffen, z.B. Ortsnamen, Bundesländern, Namen von Herstellern, Katalognummern (z.B. vom WMF oder vom Katalog Menzel), nach Markentypen (z.B. Biermarken, Pfandmarken, Werkzeugmarken) und vor allem nach den auf den Marken exakt erscheinenden In- oder Umschriften finden bzw. sortieren.
Die fest eingefügten statischen Seiten ändern sich nicht durch das „Posting“ von Beiträgen sondern bleiben entweder unverändert oder werden regelmäßig überarbeitet bzw. ergänzt. Dort findet man Informationen über Wertmarkenforum.de bzw. das alte «Wert»Markenforum. Man kann dort z.B. die Hefte, das Register, die Beilagen bzw. die Sonderausgaben des WMF als PDF herunterladen. Auch werden nach und nach unveröffentlichte Wertmarkenkataloge verschiedener Autoren, u.a. von Gerd Opalka und Günter Fritz, zum Download bereitgestellt. Mehrere Spezialkataloge, u.a. über Marken aus Hamburg, der Region Lippe, der Wertmarken, Werbemarke und Notmünzen aus der Österreichisch-Ungarischen Monarchie sowie der deutschsprachigen Marken und Zeichen von Busunternehmen, Fahrschulen, Straßenbahngesellschaften, Skiliften, Schifffahrts- und Taxiunternehmen sind bereits online.
Umfangreich ist inzwischen die Liste der Hersteller von Wertmarken und Notmünzen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Auf der Link-Seite soll eine möglichst umfangreiche Übersicht anderer nationaler und internationaler Webseiten zum Thema Wertmarken und Token entstehen.
Unter dem Stichwort Literatur wird langfristig eine Bibliographie zu Publikationen und Artikeln zu Wertmarken und Notmünzen im deutschsprachigen Raum zusammengestellt werden. Auch ein Antiquariat für Wertmarkenliteratur ist vorhanden.
So wird das neue Online-Magazin Wertmarkenforum.de mit der Zeit auch zu einer umfangreichen Datenbank, in der jeder Sammler oder Wissenschaftler gezielt alle Informationen rund um das Thema Marken und Zeichen erhalten kann.
Wie kam es zur Gründung der Webseite wertmarkenforum.de?
Im Jahr 1994 begann Werner Helmut Stahl mit der Herausgabe eines neuen Informationsheftes für Sammler von Wertmarken aller Art mit dem Titel «Wert»Markenforum. Es erschien zunächst ein Probeheft, dem von 1995 bis 2015 regelmäßig sechs bzw. später fünf Hefte jährlich folgten, in denen zahlreiche Beiträge verschiedener Autoren erschienen und einige tausend zuvor unpublizierte Marken und Zeichen mit Bildern und ausführlichen Beschreibungen vorgestellt wurden. Die kurz WMF genannte Zeitschrift entwickelte sich zum wichtigsten Organ für die Forschung und zum Austausch zwischen den Sammlern in diesem numismatischen „Randbereich“ in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Aufgeführt, ausführlich beschrieben und behandelt wurden unveröffentlichte alte Wertmarken des 15. bis 18. Jahrhunderts ebenso, wie ältere Marken des 19. Jahrhunderts, Wertmarken aller Art des 20. Jahrhunderts und aktuelle Neuerscheinungen, Einkaufswagenchips, Kunststoffmarken, Apothekentaler sowie vor allem auch unbekannte Marken, zu deren Bestimmung aufgerufen wurde.
Vor allem Ergänzungen und Korrekturen zu dem 1993 und 2005 in neuen und stark erweiterten Auflagen erschienene Werk von Peter Menzel (Deutsche Notmünzen und sonstige Geldersatzmarken bzw. Deutschsprachige Notmünzen und Geldersatzmarken) bildeten einen Schwerpunkt bei der Vorstellung der Marken. Es erschienen außerdem mehrere Sonderausgaben zu bestimmten Themen.
Ende 2015 stellte Werner Helmut Stahl die Herausgabe nach 21 Jahren aus Altersgründen ein. Um das «Wert»Markenforum fortzuführen entstand die Idee, eine neu – nichtkommerzielle – Webseite aufzubauen, auf der auch weiterhin die Forschungen zu Marken und Zeichen aller Art in ihrer ganzen Bandbreite im deutschsprachigen Bereich vorgestellt werden können.
Vor allem sollte auch eine digitale „Kontaktstelle“ für Wertmarkensammler geschaffen werden. Verbunden war dies mit der Hoffnung, mehr bisherige numismatisch oder heimatkundlich Interessierte auf dieses spannende Gebiet aufmerksam zu machen und langfristig vielleicht auch neue Sammler zu motivieren, eine eigene Sammlung von Wertmarken aufzubauen, sei es mit lokalhistorischen bzw. regionalen Schwerpunkten (z.B. Marken eines bestimmten Ortes bzw. einer Region) oder besonderen Themen (z.B. Biermarken, Apothekentaler, Parkmarken etc.).
Linktipp: www.wertmarkenforum.de
Interview zu aktuellen Entwicklungen im Sammelgebiet Geldersatzmarken
Anlässlich der Webseitenvorstellung war Dr. Bernd Thier so freundlich, uns die folgenden Fragen zum Sammelgebiet und zur Entwicklung des Sammelgebietes zu beantworten.
Was macht aus Ihrer Sicht den Reiz des Sammelgebiets Wertmarken aus?
Im Bereich der Numismatik ist meiner Meinung nach das Gebiet der regional umlaufenden Geldersatzzeichen eines der Interessantesten, auf dem es viel zu entdecken und zu forschen gibt. Münzen, von der Antike bis in die Gegenwart, waren und sind Zahlungsmittel, mit denen man quasi alles „nur“ kaufen konnte. Marken waren lediglich innerhalb eines eng begrenzten – lokalen – Bereichs gültig und es konnten immer nur bestimmte Waren (Biermarken, Kaffeemarken, Weinmarken, Getränkemarken, Milchmarken, Brotmarken, Essenmarken) oder Leistungen (Transportmarken, Fahrmarken, Tanzmarken, Autowaschmarken, Hallenbadmarken etc.) entlohnt werden. Die Vielfalt der Marken ist unbegrenzt und umfasst sicherlich im deutschen Sprachraum mehrere Hunderttausend verschiedene Stücke. Man kann daher Marken eines Ortes oder einer kleineren oder größeren Region sammeln, oder einer bestimmten Sachgruppe (Biermarken, Brotmarken), einer Berufsgruppe (Spinnereien, Apotheken, Bäckereien, Fleischerei, Bergwerke), aus bestimmten historischen Zusammenhängen (Kriegsgefangenenlager, Notzeiten) oder einer Epoche (19. Jh., 1. Weltkrieg, 2. Weltkrieg). Es gibt unbegrenzte Möglichkeiten!
Zu welchem Preisniveau werden Wertmarken gehandelt. Können Sie in etwa eine von/bis Spanne nennen? Was kosten durchschnittliche Marken?
Moderne Wertmarken kann man in Lots bereits für wenige Cent das Stück bekommen, große Seltenheiten oder Stücke des 16. Bis 19. Jh. kosten auch schon mal 50,- bis 100,- Eur. oder mehr das Stück, vor allem bei bestimmten Sammelgebieten wie dem Flottengeld oder Kolonialtoken (Deutsche Kolonie bis 1918) etc.
Angebot und Nachfrage beherrschen hier, wie üblich den Markt. Die meisten modernen Marken werden heute zwischen 1 und 5,-/10,- die älteren (vor 1945) auch zwischen 10,- und 30,- Eur gehandelt. Also ein tolles Gebiet für Einsteiger und junge Sammler.
In vielen Sammelgebieten wie z.B. auch Banknoten und Notgeld gab es in den letzten Jahren eine sehr dynamische Preisentwicklung. Trifft das auch auf die Wertmarken zu? Wurden diese in den letzten Jahren ebenfalls teurer? Zieht die Nachfrage an?
Das Thema Preise ist diffizil. Es hat nie einen „echten“ Markt nur für Wertmarken gegeben. Bis in die späten 1990er Jahre hatten sich nur einige wenige Münzhändler auf Notmünzen und Wertmarken spezialisiert und den Markt und somit die Preise bestimmt. Der private Internethandel lässt seit 2000 die Seltenheit oder eher die Häufigkeit der Stücke transparent werden, die Preise driften daher auseinander. Die große Zahl der häufigeren Marken sind im Preis gesunken, die extremen Seltenheiten im Preis dagegen gestiegen. Das hängt natürlich immer auch mit der Kaufkraft der Sammler zusammen, die Lücken in ihren Bereich schließen wollen.
Wie lange sammeln Sie selbst schon? Auf welches Gebiet haben Sie sich spezialisiert? Was ist ihr Sammelziel?
Bereits als Schüler habe ich zunächst mit dem Sammeln von Städtenotmünzen, dann relativ schnell auch von Marken und Zeichen aus meiner Heimat Westfalen-Lippe begonnen. Das ist nun schon über 40 Jahre her. Ziel ist es, möglichst alle Marken dieser Region, die heute 231 Städte und Gemeinden umfasst, zusammen zu tragen und vor allem dann zu katalogisieren und für die Nachwelt zu archivieren. Die historischen Hintergründe der Ausgaben interessieren mich, die exakte Verwendung der unterschiedlichen Markenarten, die Hersteller und vor allem die genaue Datierung.
Welche Ziele möchten Sie mittelfristig mit der Webseite erreichen? Sind Sie mit der bisherigen Entwicklung zufrieden?
Mit der bisherigen Entwicklung bin ich sehr zufrieden. In 18 Monaten haben über 25.000 Besucher auf der Seite nach Informationen gesucht und sich für den Newsletter angemeldet. Viele Beiträge und Kataloge konnten eingestellt, einige Autoren für verschiedene Berichte gewonnen werden. Der Umfang der Angebote soll mittelfristig ausgebaut werden, die Seite somit zu dem Internetportal für Wertmarken im deutschsprachigen Raum werden, auf dem man nach vielfältigen Informationen und Kontakten suchen kann. Nur durch diese persönlichen Kontakte kann man seine bisweilen sehr speziellen Sammelgebiete im Bereich der Wertmarken ausbauen, denn der Münzhandel bieten nur einen Bruchteil der Stücke, vor allem der Marken der letzten 20 bis 30 Jahre an. Meine Hoffnung ist es, möglichst viele, vielleicht auch junge Sammler zu motivieren, in die spannende Welt der Wertmarken, in der man täglich neue – meist auch preiswerte – Entdeckungen machen kann, einzutauchen.
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