Das Bettlergeld, oder auch Almosengeld bzw. Wohlfartsgeld genannt, ist eines der letzten bisher noch nicht aufgearbeiteten Gebiete des österreichischen Papiergeldes. Dabei handelt es sich um eine hoch interessante Episode der österreichischen Geldgeschichte: In der wirtschaftlich schwierigen Zwischenkriegszeit mit vielen Arbeitslosen und bedürften Menschen nahm ab 1928 das Betteln und auch organisierte Betteln stark zu. Die Unterstützung der Bedürftigen führte in den Städten und Gemeinden zu einer großen finanziellen Belastung und auch zu Sicherheitsproblemen und zunehmende Belästigung der Bevölkerung.
Daher versuchte man das Betteln in geordnete Bahnen zu lenken und entschloss sich zur Ausgabe von Wohlfarts- und Almosenscheinen (im Volksmund später „Bettlergeld“ genannt). Diese Scheine wurden von den Gemeinden direkt an Bedürftige ausgegeben oder konnten von Privaten dort gekauft werden, um Bedürftige damit zu unterstützen. Die den Bedürftigen geschenkten Scheine konnten diese in Folge in lokalen Handelsbetrieben gegen Ware, oder oft auch am Gemeindeamt gegen Warenbezugsscheine bzw. Bargeld einlösen.  Das hatte vor allem den großen Vorteil, dass die Zahlungsströme und das tatsächliche Ausmaß der Not erhoben und überwacht werden konnten. Bei der Einlösung wurde die Bedürftigkeit des Bettlers kontrolliert und der Bettler registriert und es fiel auch sofort auf, wenn jemand eine unnatürlich hohe Anzahl an Scheinen einlösen wollte. Zudem war bei Einlösung in den Handelsbetrieben Alkohol explizit ausgenommen, wodurch man verhindern wollte, dass die Spenden statt in existenzielle Bedürfnisse in Hochprozentiges investiert wurden. Eingelöste Bettlerscheine wurden vernichtet.

Die Bettlerscheine existieren im Regelfall mit Nominalen zu 2, 5 oder 10 Groschen, in wenigen Fällen auch mit 1, 3 oder 20 Groschen bzw. 1 Schilling. Sie tragen kein Datum, wesshalb der Ausgabezeitraum nur annähernd geschätzt werden kann.

Bisher gab es weder einen eigenen Katalog zum Bettlergeld, noch wurden diese Scheine in verwandten Themenkatalogen aufgenommen. Das liegt nicht am fehlenden Reiz dieses Sammelgebietes: Bettlerscheine fanden in den letzten Jahren am Markt eine treue Sammlerschaft. Konnte man diese um die Jahrtausendwende mit etwas Glück noch um 10 oder 20 Euro je Stück kaufen, so geht heute kaum mehr ein Stück unter 60 bis 80 Euro weg und manchmal werden auch 100 Euro oder sogar ein bisschen mehr erzielt. Was sich nicht geändert hat ist das geringe Angebot an Bettlergeld: Oft sieht man monatelang kaum ein Stück am Markt, dann werden wieder einzelne Exemplare angeboten und finden sehr schnell neue Besitzer.

Umso größer ist die Leistung von Rudolf Richter einzuschätzen. Rudolf Richter ist Papiergeldsammlern seit vielen Jahren als Autor zahlreicher Standardwerke bekannt. Mit dem Bettlergeld hat er nun ein weiteres Teilgebiet des österreichischen Papiergeldes neu aufgearbeitet und konnte in jahrelanger Recherchearbeit ganze 250 verschiedene Scheine von 130 unterschiedlichen Ausgabestellen dokumentieren. Der Autor hat davon abgesehen zu jedem Schein separat eine Bewertung anzuführen, was auch wenig Sinn machen würde, da der Großteil der Scheine quasi nie am Markt angeboten wird und daher eine Bewertungsgrundlage fehlt. Stattdessen wird ein allgemeiner Bewertungsrahmen angegeben. Der vollfarbig, hochwertig hergestellte Katalog umfasst 66 Seiten im Format A4 und kann um 19 Euro + Versandkosten beim Frühwald Verlag bestellt werden: office@auktionen-fruehwald.com

Impressionen aus dem Katalog:

Linktipp: In der Bildgalerie sind einige Abbildungen von Bettlerscheinen abrufbar.

3 kurze Fragen an den Autor

Gratulation zum neuen Katalogwerk! Trotz jahrelanger Marktbeobachtung kannte ich bisher nur einen Bruchteil der im Katalog gezeigten Noten. Wie ist es Ihnen gelungen diese große Menge an Scheinen zu beschaffen? Stammen diese in erster Linie aus privaten oder öffentlichen Sammlungen? Sammeln Sie diese Scheine auch aktiv selbst? 

Wie schon im Vorwort geschrieben, war die Vorlaufzeit für diese Publikation jedenfalls mehr als 10 Jahre und vom Zufall begleitet. Die gezeigten Scheine stammen ausnahmslos aus privaten Sammlungen und von Auktionen. Verschiedene Informationen über geplante oder ausgegebene Scheine fand ich in lokalen Zeitungen. Es bleibt noch viel Spielraum für die Forschung für „Jederman“ in lokalen Bereichen, welcher mit dieser Publikation ermöglicht sowie erleichtert werden soll.

Sie schreiben im Katalog dass Sie die Existenz einer noch viel größeren Anzahl von Bettlerscheinen vermuten. Wie groß schätzen Sie die Chancen ein, dass diese nach so vielen Jahren noch auftauchen? 

Habe dzt. nur einen Amtskalender von 1986 bei der Hand, da waren es rd. 2300 österr. Gemeinden. Sie waren in Sachen Bettlergeld wahrscheinlich völlig autonom. Somit dürfte es diese Scheine in sehr kleinen Gemeinden kaum gegeben haben. Aber man müßte ein Hellseher sein, das beurteilen zu können. Es bleibt mal abzuwarten, wieviele Leser zu gewinnen sind und ob und wieviele Sammler sich mit dieser Materie in Zukunft ernsthaft beschäftigen wollen/werden. Funde werden nach so langer Zeit mehr Glücksache sein, denn diese Ausgaben verloren ja nach nach Ihrer Einlösung jeglichen Wert. Siehe dazu meine Bemerkungen in den Texten.

Die Marktpreise für Bettlergeld legten bereits in den letzten Jahren stark zu. Wie beurteilen Sie diese Preisentwicklung? Und gehen die Preise mit dem Erscheinen des neuen Kataloges nun vollends durch die Decke?     

Bei Sammlungsgegenständen, welche in erster Linie zur Liebhaberei und nicht zur Wertanlage zählen, ist das Interesse sicher immer von Schwankungen begleitet. Da kann es schnell nach oben gehen oder ins Gegenteil umschlagen. Siehe Briefmarke oder Kursmünzen. Hängt natürlich alles von der wirtschaftlichen Entwicklung ab. Einige Zeit könnte es wohl noch so bleiben.

Alle guten Dinge sind drei, aber doch noch eine kurze Frage zum Abschluss: Gibt es noch weitere Gebiete, die Sie literarisch aufbereiten möchten, an was werden Sie als nächstes arbeiten?

Mit dem Katalog zum „österr. Bettlergeld“ habe ich eigentlich die Reihe der so genannten „Erstlingwerke“ zum österreichischen Papiergeld abgeschlossen. Man darf nicht außer acht lassen, dass der Trend zum kostenlosen Download von Literatur angestrebt wird. Bitte, wer wird sich dann noch die Mühe machen? Von einer Finanzierung ganz abgesehen. Ideen gäbe es allemal.

Zum Autor:

Rudolf Richter, Jahrgang 1937, schreibt seit 1972 Sammlerkataloge zum österreichischen Papiergeld. Dem Erstlingswerk, gemeinsam mit Experten Albert Pick publiziert, folgte 1986 noch unter beider Namen ein um  die gesamte österr.-ung. Monarchie erweiterter Katalog. Erst 2010 konnte mit Unterstützung des Salzburger Verlages Frühwald ein gänzlich in Farbe gestalteter Österreich Papiergeld Spezialkatalog (1759-2010) dem Publikum vorgestellt werden. Ein unverzichtbares Nachschlagewerk für Sammler und Interessenten.
Auch zum österreichischen Not- und Kriegsgefangenenlagergeld schrieb Richter in den 1990er Jahren 3 Kataloge, erschienen im deutschen Gietlverlag, Regenstauf. Heute Battenberg Gietl Verlag GmbH. Beschrieben wurden die Ausgaben der Gesamtmonarchie von 1914-1918, der Umsturzperiode ab 1918 in Österreich und den so genannten Nachfolgestaaten, die Zwischenkriegszeit bis 1945 sowie die Emissionen nach dem II. Weltkrieg. Das Lagergeld umfasst die Bereiche der Kriegsgefangenen-, Konzentrations-, Flüchtlings- und Interniertenlager in Österreich und der ehemaligen Donaumonarchie im I. und II. Weltkrieg. In einem Anhang folgte eine gute Übersicht über derartige Lager auf fremden Gebieten wie Frankreich, Italien und Russland.
Aus dem Rückseitentext von „Österreich Wohlfartsscheine – Bettlergeld“